Filderstädter Mitteilungen aus Umwelt- und Naturschutz 1994/1995


Pilze im Wald
und ihre Aufgabe im Naturhaushalt

Alfred Schumacher
Biotopkartierer Filderstadt

Ich habe mir bei meinen Waldwanderungen jahrzehntelang wenig Gedanken über die Aufgaben der Pilze im Naturhaushalt gemacht. Sie wurden von mir allerdings immer mit großem Interesse betrachtet, ihre Schönheit und Vielgestaltigkeit bewundert, einige eßbare Exemplare gesammelt und zum Verzehr mit nach Hause genommen.

Dies hat sich Ende der 60er Jahre geändert, durch meine Frühpensionierung bekam ich mehr Zeit für den Wald. Bei meinen ausgedehnten Wanderungen mit der Foto- oder Filmkamera wurde ich immer mehr aufmerksam auf die Pilze. Eigentlich bildete ich mir ein, mich an den Pilzen auszukennen; aber immer und immer wieder entdeckte ich neue, mir unbekannte Pilze. Dies ließ mir keine Ruhe, es wurden Pilzbücher gekauft und gelesen. Weil man auch da anfänglich immer wieder an Grenzen stößt, häufte sich die Anzahl der Bücher rasch.

Der allergrößte Teil sind die Mykromyceten, das sind mikroskopisch kleine Pilze, für unsere Augen nicht oder kaum wahrnehmbar. Einige von ihnen sind für uns Menschen von Nutzen z.B. die Hefepilze bei der Käse-, Joghurt- oder Bierherstellung. Auch in der Medizin finden einige ihre Anwendung, wie Penicillin und andere Antibiotika. Wieder andere werden als schädlich und zum Teil gefährlich eingestuft, wie Mehltau, Brandpilz, Mutterkorn, Schimmelpilze an Lebensmittel, Hausschwamm oder Fußpilz usw. Auf diese Mikropilze will ich nicht näher eingehen, sie sind für den normalen Pilzsammler weniger von Interesse.

Der kleinere Teil der Pilzarten sind die Makromyceten. Es wird geschätzt, daß in Mitteleuropa so ca. 4 - 5000 Arten vorkommen. Bei den Makromyceten sind die Fruchtkörper so groß; daß wir sie mit bloßen Augen sehen können. Unter ihnen sind alle die Arten welche für den Pilzsammler von Interesse sind.

Unterteilen wir also diese Makropilze!

Von diesen ca 4 - 5000 Arten sind etwa 500 als Speisepilze zu bewerten. Ungefähr 150 Arten sind giftig und um die 10 davon für uns Menschen nach ihrem Verzehr tödlich. Wieder andere sind roh oder ungenügend erhitzt "giftig". Bis vor wenigen Jahren wurde z.B. der Kahle-Krempling bei uns noch als "guter" Speisepilz frei auf dem Markt angeboten. Jetzt ist festgestellt worden,daß er giftig ist und sein Gift sich im menschlichen Körper ansammelt und sich sogar noch nach Jahren bei wiederholtem Genuß, stark gesundheitsschädigend auswirken kann. Einige Speisepilze werden nach ihrem Genuß in Verbindung mit Alkohol "giftig". Auch ist bei einem großen Teil von Pilzen noch unbekannt, ob es sich um Speise oder Giftpilze handelt. Aber der größte Teil der ca 5000 Arten ist ungenießbar, sie schmecken bitter oder widerlich, andere sind einfach zäh oder zu hart zum Essen. Auch wertlose und bedeutungslose Pilze sind unter ihnen. Die "Wertlosen" haben zu kleine Fruchtkörper, da lohnt sich das Sammeln nicht. Die "Bedeutungslosen" sind so selten, daß man sie kaum einmal zu Gesicht bekommt. Dies macht deutlich, daß es für einen unkundigen Pilzsammler gar nicht so einfach, ja sogar nicht ratsam ist, ihm unbekannte Pilze mit nach Hause zu nehmen und sich ein Pilzgericht daraus zu machen.

Was sind Pilze überhaupt ?

Nicht was wir Pilzfreunde oder Pilzsammler im Wald in unsere Körbe sammeln, sind die Pilze, dies sind ihre Fruchtstände, die zur Arterhaltung und Weiterverbreitung notwendig sind. Der eigentliche Pilz wächst unterirdisch in allen Substraten, auch im Holz oder in der Laubschicht auf dem Waldboden. Er sieht aus wie ein Fadengewirr oder ein unregelmäßiges Netzgeflecht aus lauter unterschiedlichen wurzelähnlichen Strängen. Dieses Pilzgeflecht, "das Myzel" ist der eigentliche Pilz.

Die Wissenschaft ist sich bis heute noch nicht einig, ob man die Pilze als eigenständige Art zur "Pflanzenwelt" oder gar zu den "Lebewesen" einstufen oder einordnen soll! Die Pilze unterscheiden sich in mehrfacher Hinsicht von allen üblichen Pflanzen. Sie sind alle ohne Blütenstände, auch sind sie nicht von Insekten abhängig für ihre Befruchtung. Aber am gravierendsten ist wohl die Unterscheidung durch das Fehlen von Blattgrün "Chlorophyll". Dieses Blattgrün ist der Grundstein aller Grünpflanzen wie Gras, Getreide, Stauden, Sträucher, Bäume usw. Die Pilze brauchen keine Sonne oder Licht, sie wachsen bei Tag und Nacht. Wenn die Jahreszeit, die Feuchtigkeit und das Klima für sie stimmen, können sie sich ununterbrochen über tote und lebendige Organismen hermachen.

Hier greift die Aufgabe der Pilze in den Naturhaushalt ein!

Menschen und Tiere ernähren sich von den Pflanzen, können aber nur einen Teil davon verwerten. Der immerwährend nachwachsende Überschuß, der täglich produziert wird, muß irgendwie wieder abgebaut werden. Wäre dies nicht der Fall, würde unsere Erde im Chaos der überschüssig produzierten Stoffe ersticken. Man stelle sich vor, der Laubfall unserer Wälder würde 1000 Jahre liegenbleiben! Die Bäume würden im eigenen Laub versinken und ersticken. Hier greifen unsere Pilze als "Saubermänner" der Natur ein und stürzen sich geradezu auf diese gigantische Aufräumungsarbeit. Eben dieses Laub, abgestorbene Zweige, Äste, Baumstümpfe oder Stämme, sowie Fichten-, Lärchen-, Tannen- und Kiefernnadeln und deren Zapfen werden von den Pilzen aufgezehrt und verwertet. Sie werden mit Hilfe von Mykroorganismen in wiederverwertbare Nährstoffe, in Form von Humus, in den Lebenskreislauf der Pflanzen zurückgeführt. Also haben unsere Pilze schon Tausende von Jahren vor uns Menschen "Recycling" betrieben und wie man feststellen kann mit "Erfolg".

Mykorrhizapilze!

Die zweite herausragende gute Tat der Pilze im Naturhaushalt ist ihre unterirdische Lebensgemeinschaft mit den Bäumen. Hier ist noch lange nicht alles erforscht; aber man weiß, daß der Pfifferling, die Marone, der Steinpilz, die Krause Glucke und unsere giftigsten Pilze, die Knollenblätterpilze, zu den "Mykorrhizapilzen" gehören. Sie sind die unterirdischen Handelspartner der Bäume und Sträucher. Ihre Pilzfäden, das "Myzel" geht eine Lebensgemeinschaft mit den Baumwurzeln zum gegenseitigen Nutzen ein. Der Pilz führt mit seinen feinen Pilzfäden dem Baum Mineralstoffe, die begehrten Stickstoff und Phosphorverbindungen zu. Dafür liefert der Baum dem Pilz energiereiche Kohlenhydrate und Nährstoffe, die der Pilz mangels Clorophyll selbst nicht herstellen kann. Dieser Austausch findet, wie oben erwähnt, an den Wurzeln der Bäume oder Sträucher statt. Die feinen Saugwurzeln des Baumes werden vom Pilzgeflecht umsponnen, die Pilzfäden dringen zum Teil sogar in die Baumwurzeln ein, aber ohne sich dabei gegenseitig zu schädigen. So kann zum Wohl von Baum und Pilz der Austausch stattfinden. Von dieser Lebensgemeinschaft (Symbiose) profitieren vor allem unsere umweltgestreßten Bäume, denn ein Baum, der eine Symbiose mit einem Pilz eingegangen ist, kann seine Mineralstoffaufnahme um bis auf das Vierfache steigern, was seine Gesundheit und Stabilität wesentlich erhöht. Also sind unsere Pilze nicht nur die Saubermänner und Aufräumer im Wald! Sie sind auch in gewissem Sinne die "Medizinmänner", denn sie tragen viel zur Gesundheit unseres Waldes bei.

Dies sollten sich alle Spaziergänger, Wanderer, Pilzfreunde und Pilzsammler zu Herzen nehmen und wählerisch nur junge Exemplare, sowie nur eine kleine, sofort verzehrbare Menge in ihrem Korb mit nach Hause nehmen. Wichtig ist auch, daß wir angefaulte, madige, alte, von Tieren angefressene, giftige oder uns unbekannte Pilze an ihrem Standort unbeschädigt stehen lassen, denn "jeder Pilz", auch der giftigste, hat eine wichtige Aufgabe im Naturhaushalt zu verrichten.

Was man beim Pilzesammeln alles beachten muß!

Wichtig sind, ein stabiles Messer und ein geeigneter Behälter. Am besten ist ein flacher, breiter Korb, in dem die Pilze möglichst nebeneinander gelagert werden können, sie sollten nie zu hoch aufeinandergeschichtet werden. Für kleinere, zerbrechliche oder auch schmierige Pilze empfielt es sich zusätzlich noch einige andere Behälter, wie Schachteln oder Tüten mitzunehmen, daß diese den Transport möglichst unbeschädigt überstehen.

Völlig ungeeignet ist dagegen ein Plastikbeutel in welchem die Pilze schnell zerdrückt, ja sogar zermatscht werden. Außerdem erhitzt sich die Luft im Plastikbeutel sehr schnell und stark, daß die Pilze oft bevor man sie nach Hause bringt verderben.

Hauptsächlich der Anfänger sollte beim Pflücken der Pilze darauf achten, den ganzen Fruchtkörper mitzunehmen. Dies ist wichtig bei einigen Pilzarten, denn bei einer Nachbestimmung zu Hause können sonst verhängnisvolle Fehlbestimmungen vorkommen.

Sehr zu empfehlen ist auch, daß man die Pilze "bevor man sie in den Korb legt" gut säubert. Mit dem Messer entfernt man anhaftende Erde, Gras, Fichten oder Kiefernnadeln, Laubreste, Schnecken usw. Man spart sich dadurch viel Arbeit zu Hause, denn die kleinen Erdpartikel sind, wenn sie mal in den Lamellen stecken, sehr schwer wieder rauszukriegen.

Überalterte, von Maden befallene, stark angefressene und angefaulte Pilze sollte man am Standort stehen lassen, denn sie haben noch eine wichtige Aufgabe zu erfüllen "durch die Ausstreuung ihrer Sporen" ihre Art zu erhalten. Auch würden sie nur die guten Pilze im Korb anstecken und verderben.

Unbekannte und giftige Pilze sollte man "nie" mit Speisepilzen in einem Korb transportieren. Man vermeidet damit, daß eventuell "giftige Pilze" versehentlich ins Pilzgericht geraten. Schon abgesplitterte Lamellen, zusammengeklebte Huthäute oder ausgestreute Sporen können zu Vergiftungen führen.


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